Kirsten Hinkler, Marc Hartmann: Mein Name ist Lennox.
Hallo Lennox!
Und alle anderen Kinder auf dieser Welt, die es genau so gut wie Lennox haben. Denn Lennox wohnt in einem Baumhaus. Immer. Mit Eltern und Bruder in benachbarten Baumhäusern. Durchs Jahr begleitet von Kirsten Hinkler und Marc Hartmann, die mit poetischen Bildern und feinem Strich einem Kinderleben den Zauber geben, den wir Eltern heute manchmal vermissen. Mein Name ist Lennox erinnert daran, dass sich Kinder immer noch draußen am wohlsten fühlen.
Für Lennox sind Eltern so, wie sie für alle Kinder sein sollten: wohlwollend im Hintergrund platziert. Sie umsorgen und lieben ihre Kinder, niemand friert, bei Albträumen werden Gespenster verjagt und für Nahrung ist gesorgt. Aber ansonsten? Ansonsten lebt Lennox auf seinem Baum, in einem Baumhaus und lacht über die Sorgen seiner Mutter unten hinweg. Klingt das nicht zauberhaft? Hatten wir nicht eine ähnliche Kindheit?
Wild sein dürfen
Lennox darf wild sein. Viele von uns Eltern durften das auch. Aber wir wollen nicht mehr so gerne, dass unsere Kinder wild sind. Während Lennox im Baumhaus davon träumt, ein Vogel zu sein, werden unsere Küken eingesperrt und mit dem Auto von A nach B gefahren. Lennox spielt und baut in seinem Baumhaus. Sein Spiel ist unendlich und ziellos, nur manchmal greifen Vater oder Mutter ein, wenn Lennox sie braucht. Das gibt allen Freiheit. Eltern wie Kindern.
Spätestens nach den ersten paar Seiten stellt sich die Frage, für wen Hinkler und Hartmann eigentlich geschrieben haben, für die Eltern oder die Kinder? Das Kinderbuch ist künstlerisch hochwertig gestaltet, kaum wagt man, es anzufassen. Aber warum eigentlich sollen kleine Kinder keine kostbaren Bücher lesen? Verstehen sie die Formensprache eines Künstlers? Das sind eigentlich viel zu viele Fragen für die simple Handlung dieses Buches. Lennox ist gern draußen, das ist es.
Fantastische Abenteuer
Alleingelassen, erleben viele Kinder fantastische Abenteuer. Vor allem, wenn sie wie Lennox die Gelegenheit haben, draußen zu spielen. An der starken, unkalkulierbaren Natur lassen sich so wunderbar Kinderkräfte messen. Und ist es nicht erstaunlich, dass die Kinder draußen meist unser Erwachsenenleben führen? Behausungen werden gebaut, die Großen kümmern sich um Kleine, es wird repariert, gepflanzt und geerntet.
Lennox lernt auch, Respekt vor den Kräften der Natur zu haben. In seinem Baum leben viele Tiere. Im heißen Sommer gibt er seinem Baum zu trinken und als Dank schwillt eine Pfütze zu einem See an und beschert vielen Kindern einen herrlichen Badetag. Doch als ein Sturm aufkommt, wird der Baum zur Gefahr. Erst drinnen, im Baumhaus, in der vermenschlichten Natur, kann Lennox sich bei Tee und Kuchen wieder ausruhen.
Einklang mit der Natur
Wie wunderbar so ein Baum ist, merkt Lennox auch, als die Erntezeit naht. Es wachsen so viele Früchte auf den Bäumen, sie ernähren ihn und seinen kleinen Bruder. Im Herbst gibt es dank des Blätterregens ein letztes Farbenfeuerwerk. Doch geht der Baum nun zu Bett, um Winterschlaf zu halten? Keineswegs, denn im Winter wird der Baum zum ruhigen und gutmütigen Gefährten bei Schneeballschlachten und Schneemannbauten. Aber trotzdem sehnt Lennox sich nach dem Frühling.
Ich finde, Hinkler und Hartmann haben liebevoll und fein beobachtet und gezeichnet, wie Kinder draußen spielen. Das rührt mich sehr. Weil das Buch aber sehr besonders ist, weiß ich nicht, mit welchem meiner Kinder ich es lesen sollte. Mit einem fantasiebegabten Kind auf jeden Fall, mit einem Kind, das gerne draußen ist und Abenteuer erleben möchte. Mit einem Kind, das seine Eltern liebt und auch Geschichten. Was schreibe ich da? Alle Kinder sind so.
Titelangaben:
Kirsten Hinkler, Marc Hartmann: Mein Name ist Lennox.
Berlin: Waldhuhn Verlag, 2014. 32 Seiten. 14,95 EUR.