Kristin Kimball: Das Dreckige Leben. Aus den High Heels in die Gummistiefel. Wie mein Traum vom naturnahen Leben in Erfüllung ging.
Vom Schreibtisch in den Kuhstall
Der neue Trend zur Rückbesinnung auf Natur und Nachhaltigkeit hat schon längst den Buchmarkt erreicht. Berichte von der Läuterung der Stadtmenschen, die in großen Massen ihre Wurzeln auf dem Land suchen, gibt es allenthalben. Kristin Kimball, eine New Yorker Reisejournalistin, hat für eine Recherche ihre Pumps mit Gummistiefeln vertauscht und sich in einen Farmer und die dazugehörige Farm verliebt. Das Dreckige Leben ist ein charmanter Bericht eines radikalen Neuanfangs.
Kimballs autobiographische Reportage ist so plakativ wie amüsant. Ich denke, sie ist zumeist auch wahr. Ich bin keine Bäuerin, doch lange haben wir mit dem Kauf eines Hofs geliebäugelt. Nun ist es ein Haus geworden. Kimball hat mit ihrem Mann einen Hof gekauft, mehr noch, eine Idee. Sie wollten ein solidarisches Bewirtschaftungsprinzip, Biorundversorgung für alle zahlenden Mitglieder und zwar von Anfang an. Offensichtlich sind sie nicht gescheitert.
Ein bisschen dick aufgetragen
Was mich stört, ist Kimballs Hang zur Dramatik. Vielleicht haben alle Ereignisse wirklich so statt gefunden, das möchte ich nicht bestreiten, doch ihre dramatische Darstellung auf über dreihundert Seiten strapaziert manchmal meine Ausdauer. Dagegen bin ich selber ein bisschen zu still und zu niederbayrisch. Außerdem ist ihr biologisch – nachhaltiger Ansatz etwas dogmatisch, das sieht man spätestens dann, wenn von Komposttoiletten und Ackerbau mit Pferdegespann die Rede ist.
Die Geschichte an sich ist aber wirklich nett. Kristin Kimball soll einen Biogemüsebauern zum neuen Trend zur Nachhaltigkeit interviewen und verliebt sich in ihren zukünftigen Ehemann Mark. Der zitiert sie erstmal und auch zukünftig ständig zur Mitarbeit und Kimball wird zur Farmerin wider Willen. Gleichzeitig aber reizt sie die harte Arbeit und die Befriedigung, die sie aus ihrem neuen Dasein schöpft.
Heimat handgemacht
Kristin und Mark pachten im Winter einen Hof und im Frühjahr darauf wird provisorisch Landwirtschaft betrieben. Es ist ein Hauruckverfahren, das hier angewendet wird, andererseits sind Zeit und finanzielle Ressourcen derart begrenzt, dass eine lange Planungs- und Umbauphase ausgeschlossen ist. Schließlich haben sich die Kimballs vorgenommen, eine Gemeinschaft zu versorgen, es muss also viel gesät und aufgezogen werden, Flora und Fauna müssen bezwungen werden.
Es ist eine sehr persönliche Geschichte davon, wie zwei Menschen für einen Traum kämpfen – und auch davon, wie eine große Gemeinschaft von Fremden und Freunden sie dabei unterstützt, denn ohne die Hilfe eines ganzen Dorfes und der Freunde und Verwandten wäre die erste Ernte nicht einzufahren gewesen. Unabhängig davon ist es natürlich schwierig, aus Kimballs Erfahrungsbericht irgendwelche Schlüsse zu ziehen. Was ich jedoch sehe und bestätigen kann ist der Gedanke, dass, wenn das eigene Gefühl sagt, dass etwas wichtig und richtig ist, es schlicht und einfach so ist.
Erfolgsgeschichte der Solidarität
Schließlich scheint für Kristin und Mark alles zu klappen. Inmitten der Erntezeit im Oktober wird Hochzeit auf dem Heuboden gefeiert, jeden Freitag wird eine immer größer werdende Anzahl von Mitgliedern der Agrargemeinschaft versorgt, Kühe kalben und Äcker werden gepflügt. Nach dem zweiten Erntejahr können sie einen Teil des Grunds aufkaufen, die Mitgliederzahl steigt ständig. Kristin und Mark lernen, mit ihrem neuen Dasein als Farmer lockerer und rücksichtsvoller umzugehen und ihre kleine Familie wächst. Als Mama und Selbermacherin ahne ich, wie viel sie arbeiten müssen und wie sehr es sie erfüllt. Es ist diese Erfüllung, die ich allen wünsche und die Kimballs Bericht einzigartig macht.
Titelangaben:
Kristin Kimball: Das Dreckige Leben. Aus den High Heels in die Gummistiefel. Wie mein Traum vom naturnahen Leben in Erfüllung ging.
Aus dem Englischen von Bärbel und Velten Arnold.
Kandern: Unimedica im Narayana Verlag, 2014. 336 Seiten. 19,80 EUR.