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Marlis Maehrle: Papier Atelier. Ideen und Techniken für individuelle Projekte

 

 

Filigranes Kunsthandwerk

 

Der Haupt – Verlag hat mit Marlis Maehrles Papier Atelier ein Buch verlegt, das an der Grenze von Kunst, Kunsthandwerk und Bastelei angesiedelt ist. Ich finde, das ist ein riskantes Projekt, denn Kunsthandwerk und Bastelei passen oft nicht zusammen. Umso spannender war es, zu sehen, was Marlis Maehrle daraus gemacht hat. Ein solcher Spagat kann gelingen oder grandios scheitern.

 

Ich muss zugeben, in Maehrles Spezialgebiet bin ich ein Fremdling. Ich arbeite zwar gerne mit Papier, aber meine Werkstoffe sind meistens alte Zeitschriften, Tapeten, Zeitungen und alles, was ich sonst wegwerfen würde. Maehrle hingegen benutzt meist neue, wunderbare Japanpapiere und verfährt mit ihnen auf vorsichtige und zarte Weise, ganz anders als ich, wenn ich meine Papiere reiße oder schneide.

 

Fingerspitzengefühl

 

Für meine grobschlächtigen Mamahände sind Maehrles filigrane Werke also eher nichts. Am besten gefallen mir die Fotos ganz am Ende des Bandes, wenn Marlis Maehrle Einblicke in ihr Atelier gibt. In ihren Schränken und Regalen wirken die feinen Papiergebilde wie aus einer anderen Welt. Hier gelangen sie auch zu der Geltung, die ihnen entspricht. Es ist Kunsthandwerk, das uns hier vorgestellt wird, mit einer starken fernöstlichen Prägung.

 

Das ist ganz wunderbar und lässt mich doch ratlos zurück. Ich, die ich stets recycle und ausschließlich Dinge herstelle, die ich benutzen kann. Maehrles Werke bewegen sich eher in Richtung Kunst, so dass ich nicht einmal sagen könnte, dass die Anleitungen dekorativ sind. Zwar gibt es Beispiele für ein paar schlichte gegenständliche Fensterbilder aus Papier, doch gerade diese Blumen und Tiere sind es, die ich am ganzen Buch am wenigsten gelungen finde.

 

Die Weite der Abstraktion

 

Marlis Maehrle ist dort am besten, wo ihre Projekte abstrakt werden. Schiffartige Papierformen oder archaische Speerspitzen. Immer, wenn Natur und Kunst ineinander verschmelzen, erhalten Maehrles Werke eine eigene und eigentümliche Dynamik, die auf den Betrachter sehr anziehend wirkt. In kargen, fernöstlichen Arrangements entfalten sie ihre stärkste Ausstrahlung. Ruhe und Stille umgeben den Betrachter.

 

Was schlicht und einfach auch heißt, dass keines von Maehrles Gestaltungsbeispielen in den nächsten Jahren in meinem Haus verwirklicht werden wird. Ruhe und Stille, wo in Wirklichkeit Chaos und Anarchie herrscht? Ich ahne dunkel, was Jakob mit den zarten Papierschiffchen machen würde und verliere schon beim Gedanken daran die Lust, Seidenpapier zu kaufen. Die wunderschönen Papierprojekte sind meiner Ansicht nach absolut familienuntauglich und bei aller Schönheit und Eleganz bedeutet das ihr Todesurteil. Dass ich mich natürlich nach Maehrles Kunstfertigkeit sehne, ist eine andere Baustelle.

 

Titelangaben:

Marlis Maehrle, Papieratelier. Ideen und Techniken für individuelle Projekte.

Bern: Haupt Verlag 2014. 192 Seiten. 29,90 EUR.

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