Audrey Harings: CanGu und die Kuchenkrümel
Die quälende Frage nach dem Warum
Eigentlich sind Tiergeschichten immer ein Selbstläufer. Kinder lieben Tiere und die Vierbeiner unterliegen nur wenigen literarischen Einschränkungen, denn im Buch dürfen sie all das können, was ihnen die Realtität versagt. Und mal ehrlich: wer wüsste manchmal nicht gern, was im Kopf eines Welpen vor sich geht? Audrey Harings nahm wohl an, dass man mit einer Tiergeschichte kaum Fehler machen kann. Falsch. CanGu und die Kuchenkrümel zeigt, warum.
An Harings Buch stimmt nichts. Die Sprache ist dürftig, der Inhalt nicht vorhanden und wo doch, nicht schlüssig. Aber von vorne. Eine Familie bekommt an Sylvester Welpenzuwachs. Das gestaltet die Frage des nächsten Urlaubs kompliziert. Doch alle Tiere werden bei Pflegefamilien untergebracht. Ein Welpe jedoch sieht sich einer eifersüchtigen Katze ausgesetzt, die ihn vom Hofe jagt. Über Umwege und ein Tierheim findet er seine Familie wieder.
Falsch angepackt
Am Plot selbst kann man erstmal nicht unbedingt meckern. Wenn er auch nicht ausgemacht intelligent ist, so könnte er doch funktionieren. Was von Anfang an nervt, sind die überflüssigen Informationen. Ein Kind würde doch zum Beispiel gern etwas über die Gastfamilie der Hunde erfahren, vor allem über die beiden Jungs. Statt dessen erfährt der geneigte Leser, dass der Vater ein leitender Angestellter in der Modeindustrie ist. Warum?
Pipis Papa war Pirat, Maditas Papa Journalist, Lisas Papa Bauer. Und ansonsten waren die Eltern in ordentlichen Kinderbüchern gefälligst unsichtbar. Hier ist es anders. Die Jungs heißen Jamie und Jason und sind neun und dreizehn Jahre alt. Basta. Aber: der Papa fährt gern nach Venedig, wo er seiner Frau teure Ringe kauft, die Familie hat zwar überhaupt kein Geld, dafür aber Schmuck von Cartier, Handtaschen von Gucci und überflüssigerweise Schlüsselanhänger von Burberry. Wer will das wissen?
Falsche Adressaten
Weil jeder der Welpen ein Designeraccessoire schrottet, erhalten sie die Namen der zerstörten Luxusgegenstände. Der Tierprotagonist ist dann ein Welpe namens Gucci. Gucci wird auf einen Bauernhof verfrachtet und von den Hunden wird nichts erzählt, während genau geschildert wird, wie die Jansens einen Campingplatz buchen, der auf keinen Fall teuer sein darf. Klar, schließlich müssen diverse Designerstücke ersetzt werden.
Nichts stimmt also am Plot. Gucci fühlt sich wohl am Bauernhof und die tierliebende Bäuerin hat nichts anderes zu tun als prompt in all ihrer Tierliebe den Hofkater Canelo links liegen zu lassen und sich ausschließlich um Gucci zu kümmern. Vielleicht auch ein wenig plump? Canelo schwört Rache und lockt Gucci vom Hof, um sie bei einem Gewitter auszusperren. Der Welpe fällt darauf herein und entschließt sich logischerweise, wegzulaufen, anstatt auf die Bäuerin zu warten. Wenn Tiere in Büchern wie Menschen handeln, handelt Gucci absolut unlogisch. Aber gut.
Falsche Stereotypen
Gucci läuft bis zur nächsten Stadt, die, obwohl die Jansens im Nirgendwo wohnen, für einen Welpen per pedes gut zu erreichen ist. Natürlich wird sie von sehr bösen Hundefängern aufgegriffen und in ein Tierheim gesteckt, in dem alle Bewohner auf den Tod wartend dahinvegetieren. Selbstverständlich überwältigt der Welpe mit Hilfe eines Straßenköters die Wärter und die beiden fliehen.
Die zwei Hunde laufen bis zur Autobahn, klettern auf die Ladefläche eines Pickups, der – man glaubt es kaum – zufällig genau zu dem Ort am Meer fährt, an dem die Familie Jansen ihren Urlaub verbringt. Und das ohne Absprachen. Ich weiß nicht, ob meine Kinder diese Gedankensprünge schlucken würden. Der Gipfel kommt am Schluss: natürlich hatte die Bäuerin nach der Entdeckung von Guccis Flucht die Besitzer verständigt und Jamie und Jason haben Kuchenkrümel auf der Fahrt gestreut. Deshalb findet Gucci ihre Besitzer wieder. Kuchenkrümel? Eine Familie fährt vom spanischen Inland ans Meer und streut Kuchenkrümel, um den Hund zu finden? Hatte Harings nicht erwähnt, dass es um eine Distanz von 120 km geht?
Falsches Buch
Mir ist das alles zuviel, es kann kein richtiges Buch geben im falschen. Als dann am Schluss auch noch Canelo auftaucht, geplagt von schlechtem Gewissen und sich alle vertragen und der Straßenköter auch eine neue Heimat findet, bin ich fassungslos. Das positive am Buch: es ist schnell vorbei.
Titelangaben:
Audrey Harings: CanGu und die Kuchenkrümel
AH Tales and Stories S.L. 204 Seiten. 9,99 EUR.