Ian Miller: Das Sense- Handbuch. Richtig Dengeln, Wetzen, Mähen und Ernten.
Mähst Du noch oder senst Du schon?
Pünktlich zur zweiten Mahd muss ich mich etwas pushen und motivieren. Schließlich steht auch das Weihnachtsgeschäft vor der Tür und die Wiese ist eben nicht gemäht. Toll, wenn man da einen Autor wie Ian Miller hat, der in Das Sense- Handbuch. Richtig Dengeln, Wetzen, Mähen und Ernten so von der alten Tätigkeit an der Sense schwärmt, dass man richtig Lust bekommt, den Wetzstein zu schnappen und die Sense in den Kofferraum zu werfen.
Ian Miller hat so einen schön verzweigten Lebensweg, dass man geneigt ist, ihn einfach zu mögen. Über Umwege wurde er Agrarwissenschaftler und Biobauer und weil in den USA nur wenige Betriebe in ökologischer Landwirtschaft ausbilden, ließ sich Miller auf österreichischen Bergbauernhöfen einweihen. Dort lernte er auch das Mähen mit der Sense kennen und lieben. Während das idyllische Bild der mähenden Bauern auf österreichischen Almen noch gang und gäbe sein mag, ist es im Normalfall zur Seltenheit geworden.
Grundlagen und Geschichte der Sense
Es ist also völlig richtig und angemessen, die Sense vorzustellen, ihre Verwendung seit der Steinzeit und über den Globus hinweg darzulegen und ihre Bedeutung für die ökologische Landwirtschaft hervorzuheben. Ian Miller macht dies zum Teil viel genauer und detaillierter, als für jemanden notwendig, der nur mit einer Sense mähen möchte. Gleichzeitig fehlt natürlich die bildliche Anschauung, selbst die genauen Zeichnungen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass man sich viel selbst aneignen muss.
Den geschichtlichen Teil finde ich sehr interessant, weil ich das Wenigste davon kenne und sehr erstaunt bin, wie früh bereits eine vorindustrielle Massenproduktion von Sensen aufgebaut wurde und wie sehr die europäischen Sensen von der alpenländischen Mähtradition geprägt waren. Die hochwertigen Sensen aus dem Österreichischen wurden über die ganze damals bekannte Welt verkauft. Kein Wunder, dass es sich auch heute noch so gut mit handgeschmiedeten Sensen mähen lässt.
Sensenkunde
Der Hauptteil des Buches befasst sich aber mit der Sense selbst. Ihre Montage, die Verwendung verschiedener Blattlängen, der Mähschwung, das Dengeln und Wetzen, ja, selbst die Benennung der einzelnen Bestandteile sind Ian Miller wichtig. Dengeln und Wetzen sind essentiell für die Pflege der Sense, niemand möchte mit einem stumpfen Blatt mähen oder sehen, wie das teure Sensenblatt zerbricht. Allerdings ist viel Feingefühl und einiges an Werkzeug notwendig, wenn man seine Sense so professionell pflegen möchte.
Hier bekommt man wieder einen leichten Vorgeschmack darauf, dass eine Sense auch komplizierte Nacharbeit bedeutet und ein Buch nicht immer in der Lage ist, alle Fragen zu beantworten. Instinktiv wünscht man sich ein Video oder ein Seminar zum Thema, um gerade das Dengeln besser zu verstehen. Sehr gut ist im praktischen Teil der Fokus von Ian Miller, der sich nicht nur auf das Werkzeug versteift, sondern auch den arbeitenden Menschen nicht aus dem Blick verliert.
Meditation und Mähen
Tatsächlich ist es leicht, während des Mähens in eine Flowsituation zu geraten, vor allem, wenn man auf eine gute Körperhaltung achtet. Ich habe es schon oft erlebt, wie ich beim Mähen Zeit und Raum vergesse und die Mahd als sehr befriedigend betrachte. Mit etwas Übung und einem Schnellkurs in Alexandertechnik und einfachen Meditationsübungen kann das auch wirklich jedem gelingen und Ian Miller beschreibt sehr schön, wie einfach es ist, körperliche Arbeit mit geistiger Entspannung zu verbinden.
Wer mit der Sense mäht, wird sich schnell fragen, was er mit dem gemähten Gras anfangen soll. Liegen lassen? Dafür ist die Arbeit dann doch zu wertvoll. Wer kann, verfüttert an Tiere, ich habe mir mit meiner Mahd Mulchbeete angelegt. Egal für welche Version man sich entschließt, es kommt die Frage auf, wie das Heu getrocknet und gelagert wird. Ian Miller stellt verschiedene Versionen von Heureitern vor und eine davon ist die eigene, die man gerne für die Mahd verwenden möchte.
Ich finde es vor allem befriedigend, dass Miller nicht mit der Mahd endet. Menschen, die mit der Sense mähen, machen sich tendenziell Gedanken um ihr Heu und auch die Bewirtschaftung ihrer Wiesen. Wenn er also ein Kapitel über Getreideanbau und Beweidung anschließt, ist das nur logisch, wenn auch nicht für jeden notwendig. Das Sensenbuch ist also eigentlich viel mehr als nur ein Buch übers Mähen. Es ist ein Plädoyer für eine alternative Landwirtschaft.
Titelangaben:
Ian Miller: Das Sense- Handbuch. Richtig Dengeln, Wetzen, Mähen und Ernten.
Bern: Haupt Verlag 2017. 144 Seiten. 26 EUR.